Schwache Hierarchie

Das Heimspiel von Hertha gegen Werder Bremen konnte ich leider nur aus der Ferne verfolgen. Ein Stream auf einem Laptop ist natürlich keine ideale Situation, und so wäre es im Grunde am besten, über dieses 1:1 einfach einen Mantel des Schweigens zu breiten. Ein paar Gedanken haben mich aber doch beschäftigt während dieser eher dürftigen Bundesligabegegnung.

Die Ergebnisse vom Samstag haben angedeutet, wofür Hertha gegen Bremen dann schon eine Folgeerscheinung war. Die Liga ist wohl in diesem Jahr noch enger als im Vorjahr, und wenn man nicht gerade wie Köln eine manifeste Startschwäche zeigt, so kann man sich schon mit einer Heimspielniederlage (siehe Gladbach) eine kleine Zwischenkrise einfangen. Hertha und Bremen haben daraus die verständlichste, aber auch die bedauerlichste aller Konsequenzen gezogen: sie haben auf ein Spiel so weitgehend wie möglich verzichtet, und sich dann nach dem Ausgleich durch Delaney auch insofern auf ein Remis geeinigt, als ein später Siegestreffer nicht mehr Ausdruck strukturierter Bemühungen gewesen wäre, sondern halt ein lucky punch.

Bei Werder kann man diese Vorgehensweise nachvollziehen, bei Hertha schon ein bisschen weniger. Auch wenn man die englischen Wochen mitbedenkt, die jetzt kommen, war das Spiel gegen Bremen ein sehr bescheidener Versuch. Man hat den Eindruck, dass die Qualität in der Mannschaft sich gerade nivelliert: niemand ragt heraus, aus einer flachen Hierarchie wird eine schwache Hierarchie, die Spielidee beruht auf Einzelaktionen (Leckie), die eher hektisch enden als planvoll.

Zu einem Umschaltspiel kommt es nicht, weil Balleroberungen auch eher einer zufälligen Bemühung folgen (wie im Fall von Ibisevic vor dem Führungstreffer) als einem erkennbaren organisierten Spiel gegen den Ball (ich spreche jetzt nicht von der Kompaktheit in der eigenen Hälfte, das ist ja die unterste Schwelle der Teilnahmekompentenz an diesem jetzt schon wieder merkwürdig stockenden Betrieb Bundesliga). Die übergroße Bereitschaft von Hertha, Offensivaktionen abzubrechen, kennen wir zur Genüge.

Mit vier Punkten aus drei Spielen liegt Hertha für meine Begriffe zwei Punkte hinter den Ansprüchen. Aber die Ansprüche sind ja bewusst vage gehalten, und in dieser frühen Phase der Saison sieht es nicht so aus, als würden sich die Betreuer und die Mannschaft dieses Jahr aus der Deckung einer sorgsam kultivierten Diskretion bewegen wollen: ja, wir sind auch da, und wir nehmen gern wieder einen Europa League-Platz, sollte wie im Vorjahr niemand sonst wollen, aber zu erkennen wollen wir uns nicht geben.

So steht Hertha also vorerst mitten drin im Pulk einer Liga, in der nur ganz wenige Teams Verantwortung übernehmen wollen. Zum Glück ist das nur ein früher Befund, und schon am Donnerstag gibt es gegen ein europäisches Topteam die Gelegenheit, sich zu zeigen. Da bin ich dann nicht vom Laptop aus dabei, sondern mit eigenen Augen. Die Vorfreude ist groß.

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Kommentare

Kommentar von Jörg |

"Dardai sagt, dass er momentan zufrieden ist. Schützt er damit nur die Mannschaft oder spiegelt sich das auch in seiner taktischen Aufstellung wider? Im Spiel gegen Freiburg hat man in der ersten Halbzeit gesehen, dass Hertha nicht in der Lage ist, konsequent nach vorn zu spielen und sich Torchancen zu erspielen, das war ein krasses Gegenteil zu dem Spiel gegen Leverkusen. Waren Arne Maier und Davie Selke wirklich nur zwei leicht andere Spielertypen als Lusti und Kalou? Oder hat sich damit auch die ""Statik des Spiels"" geändert, haben sich dadurch neue Vektoren ergeben, hat Dardai auch die Taktik geändert, so dass sich plötzlich potentiell Elfmeter-generierende Situation ergeben konnten?

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