Sortiermaschine

Mit dem trüben, kalten Samstagabend wollte ich am Sonntag nichts zu tun haben. Mit dem 0:3 von Hertha gegen Leipzig, mit dem Schweigen der Ostkurve wollte ich mich in aller Ruhe auseinandersetzen. Die deutliche und eindeutige Niederlage lässt sich im Verlauf der Hinrunde vielleicht noch relativieren, das Zerwürfnis zwischen Teilen der Fans und der Clubleitung scheint hingegen gravierend. Und das alles an einem Wochenende, an dem der Spiegel mit einer Titelgeschichte wieder deutlich machte, welche gigantischen (Finanz-)Interessen am Fußball zerren.

Hertha hatte gegen die Dosen keine Chance - dabei gab es gar nicht wenige Torchancen, es war ein offenes, spannendes, teilweise hochklassiges Bundesligaspiel. Leipzig war aber in allen entscheidenden Belangen besser, wobei Pal Dardai dieser Überlegenheit mit einer eigenwilligen Formation in die Karten spielte: er schickte eine Sechserkette hinaus, mit Lustenberger zwischen Stark und Rekik, und mit Plattenhardt und Mittelstädt links hinten in einem Knäuel, das sich meist nur in Vorstöße für RB auflöste. Maier war in der Zentrale oft allein, oder genauer, Leipzig war es ein Leichtes, zwischen den Linien zu spielen, weil Hertha de facto nur eine hatte.

Man konnte auch so immer noch sehen, dass Hertha in der Lage ist, von hinten herauszuspielen, aber Leipzig spielte vor allen vorne hinein, mit einer Beweglichkeit, die von der vorgeblichen Kompaktheit der Heimmannschaft wenig übrig ließen. Zweimal hintereinander hat Hertha es jetzt meiner Meinung nach gegen eine Spitzenmannschaft mit einer untauglichen Taktik probiert - die Fortschritte in der Spielkonzeption kommen auf diese Weise nicht (entscheidend) zum Tragen.

Individuelle Defizite (über Marvin Plattenhardt wird heftig diskutiert, seine Auswechslung zur Pause wäre eigentlich unumgänglich gewesen) und das Fehlen wichtiger Spieler (Torunarigha, Grujic) spielen eine Rolle, man hat auch das Gefühl, dass die individuellen Qualitäten nicht mehr optimal eingebracht werden können (Selke, Dilrosun, am Samstag auch Duda).

Vor den sieben verbleibenden Spielen in der Hinrunde hängt Hertha am unteren Ende eines dichten Pulks, der die europäischen Plätze unter sich ausmachen wird. Die Liga ist eine Sortiermaschine, der man nur mit viel Geschick in die Rädchen greifen kann. Der Spielplan bringt bis Weihnachten vor allem Begegnungen mit Mannschaften, gegen die Hertha sich zumindest nicht als Außenseiter sehen muss - am Samstag gegen Düsseldorf wartet der diffizile Fall eines Gegners, gegen den drei Punkte eigentlich ein Muss sind. Hoffenheim, Frankfurt, Leverkusen, das könnten alles Gelegenheit sein, sich auf einer bestimmten Höhe in der Liga zu bestätigen.

Dazu müssen die Betreuer aber das Verhältnis von Risiko und Stärken wieder besser justieren. Hertha lässt sich derzeit zu häufig auskontern. Und sucht schon wieder nach einer Balance in der Zentrale des Spiels. Alles ganz normal im November.

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