Team 100 Prozent

Auf dem Höhepunkt einer hektischen Woche saß am Donnerstag dann also Lars Windhorst zwischen Werner Gegenbauer und Michael Preetz, und die Luft war dick vor lauter Commitment. Am Dienstag, als "unser Jürgen" in der ganzen Einsamkeit eines im Hotel lebenden globalen Fußballwanderarbeiters eine Entscheidung traf, die er wahrscheinlich längst bereut, hatte ich die Situation noch tendenziell falsch eingeschätzt. Ich ging davon aus, es gäbe es Team 49,9 Prozent, zu dem auch Windhorst zu zählen wäre. Am Donnerstag saß dann aber bei der Pressekonferenz ein Team 100 Prozent – auf zehn oder gar dreißig Jahre?

Es war eine im Detail dann doch sehr ergiebige und auch staunenswerte Veranstaltung. Der Investor machte noch einmal klar, welcher Unterschied zwischen seinem Einstieg und dem Equity-Engagement von KKR besteht. Denn es stimmt ja, Tennor hat nun eine Menge zu sagen bei Hertha, aber ein vorab besprochenes Exit-Datum gibt es nicht. Tennor muss auf Wertsteigerung setzen, und hat dann verschiedene Möglichkeiten, die investierten Summe zurückzubekommen. Windhorst sprach nicht von ungefähr von Sponsoren, die Hertha aufgrund der Attraktivität von Klinsmann schon aufgereiht hatte. Das könnte zumindest auf beabsichtigte jährliche Gewinnentnahmen hindeuten. Details werden wir in den Bilanzen sehen.

Windhorst bekannte (in seiner Sprache: "committete") sich zu einem langfristigen Engagement. Und er ließ sehr deutlich erkennen, wo er schon Grund zu Freude sah: im Winter war Hertha der größte Fußballclub der Welt, was die Ausgaben betraf. Es hat ihn also die schiere Ziffer beeindruckt, die Hertha in die Welt gesetzt hat. Der sportliche Ertrag der vier Verpflichtungen wird sich erst allmählich weisen, wobei es dann auch noch informelle Bilanzen geben wird: Piatek gegen Selke, Ascacibar gegen Löwen, vielleicht auch irgendwann Tousart gegen Grujic (wo immer der nächstes Jahr spielt) oder sogar gegen Maier.

Denn wir werden natürlich auch die Talente im Auge behalten, mit denen Hertha keine Geduld hatte, oder die (wie Löwen) kaum eine Chance bekamen.

Preetz und Gegenbauer haben ihre Version der Ereignisse durchgesetzt. Zwischen Windhorst und Gegenbauer passt nur ein Handschlag, nämlich der, mit dem der Präsident dem Kollegen Unternehmer versichert hat, dass bei Hertha alles gut ist. Gegenbauer sprach für meine Begriffe ein wenig zu viel von einem "störungsfreien" Ablauf dieser Störungswoche. Insgesamt wirkt er, kurz vor einer neuerlichen Kandidatur für die Funktion, die er inzwischen schon gefühlte Ewigkeiten ausübt, wie jemand, der vielleicht mit einer Rolle als Ehren- oder Alterspräsident schon besser beraten wäre.

Michael Preetz ist in der augenblicklichen Konstellation die eigentliche Kristallisationsfigur. Seine vielen Gegner haben längst genügend Munition, sie rechnen einfach in Form einer Addition zusammen, was man besser nicht in eine Tabelle stellt: Rehhagel, Babbel, Skibbe, Covic. Was man ihm tatsächlich vorwerfen muss: er hat in seiner inzwischen langen Amtszeit nur einen Trainer entdeckt, nämlich Pal Dardai, und auch der hat ihn auf halbem Weg der Konzeptarbeit verlassen.

Geschäftsführer Sport müssen einen Kader zusammenstellen, und dafür einen geeigneten Betreuer finden. Die erste Aufgabe hat Preetz in den letzten fünf Jahren ziemlich gut bewältigt, auch wenn zum Beispiel für meine Begriffe bei Lukebakio inzwischen begründete Zweifel an seiner Qualität vorzubringen sind - aber das ist ein Argument vor allem im Vergleich zu der Summe, die Hertha für ihn ausgegeben hat.

Preetz hat sich angreifbar gemacht, weil er zu blauäugig auf die interne Lösung Covic gesetzt hat. Der vergangene Sommer war der Moment, in dem Hertha einen Impuls von außen gebraucht hätte - auch für Preetz selbst wäre eine solche Herausforderung gut gewesen. Mit der Entscheidung für Klinsmann hat er das dann nachgeholt, er hätte ahnen können, dass das mit Friktionen endet.

Nun ist er gerade im Begriff, seinen Fehler aus dem Sommer en miniature zu wiederholen: Jetzt einfach mit Nouri und Feldhoff weiterzumachen, ist ein grobes Versäumnis. Preetz hätte diese Woche Initiative zeigen müssen, und einen neuen Trainer bis Juni präsentieren. Jetzt ist er wieder in der typischen Schleife drinnen: er muss von Spieltag zu Spieltag entscheiden, ob noch einmal ein Eingriff notwendig ist. Der eine Moment, das Team 100 Prozent von sich aus zu komplettieren, ist diese Woche verstrichen. So sitzt Klinsmann heute immer noch als Phantom auf der Bank.

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