Die Zukunft gehört Berlin. So stand es gestern auf meiner Eintrittskarte für das Pokalspiel gegen Köln. So steht es über der ganzen Saison von Hertha BSC, die mit dem 125. Geburtstag begann. Die Gegenwart gehörte dann leider Köln. 3:1 für die Gäste, die nähere Zukunft für Hertha liegt in einer Zweifachbelastung, hinter der sich schon deutlich eine Einfachbelastung abzeichnet. Wenn die dann mal bloß keine Überforderung darstellt!
Das Motto klang gestern besonders anmaßend angesichts der Besucherzahl im Olympiastadion: 33459 Leute kamen, darunter neben mir ein desinteressierter HSV-Fan, der nach 40 Minuten mit seinen Whatsapp-Chats offensichtlich so weit vorangekommen war, dass er aufstand und nicht mehr gesehen ward. Hätte die gleiche Begegnung in Köln stattgefunden, sie wäre ausverkauft gewesen. In Berlin liefen nach dem 0:3 auch schon die treueren Fans nach Hause. Und da war noch eine halbe Stunde zu spielen.
Aber so ist das halt mit der Hertha und Berlin. Das ist keine Liebesbeziehung, schon gar keine traditionelle, und eine erarbeitete wird es bei den aktuellen Leistungen der Mannschaft auch nicht. So bleibt, nicht zuletzt nach dem Kniefall von neulich vor dem Schalke-Spiel, der Eindruck, dass das Kerngeschäft (der Sport) mit der Markenbewirtschaftung nicht Schritt hält. Und das lässt dann halt auch die Markenbewirtschaftung immer wieder komisch aussehen.
Denn im Sport ist natürlich die Leistung die Golddeckung. Hertha hat keine alten Meriten, von denen sich zehren ließe, dass sie aber jetzt schon wieder einmal so auf Null stehen würde, wie sie es derzeit tut, das ist doch verblüffend. Aus dauerndem déjà-vu lässt sich jedenfalls keine Zukunft basteln.
Die drei Gegentore gegen Köln hatten jeweils eine Geschichte. Interessant daran sind nicht so sehr die individuellen Fehler, sondern die Muster, die sich dabei zeigen. Hertha ist in diesen Wochen auf eine merkwürdige Weise begriffsstutzig, es fehlt markant an Geistesgegenwart: Plattenhardt läuft beim entscheidenden dritten Gegentor mit nach hinten, vollkommen fixiert auf einen Ball, von dem ihm nicht einmal in Ansätzen in den Sinn kommt, dass er es mit ihm noch zu tun bekommen könnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass er an den Pfosten geht, ist ja auch gering. Fußball ist aber nun einmal der Versuch, in die Lücken der geringen Wahrscheinlichkeit zu gehen. Das gilt offensiv genauso wie defensiv.
Köln hat den ganzen Abend nach diesen Lücken gesucht, in jedem Zweikampf, mit jedem Lauf von Handwerker, der so viel wirkungsvoller war als Lazaro, mit einem Eckball von Jojic, der so viel konzentrierter getreten war als einer von Lazaro, den er auch persönlich bei Horn hätte abgeben können.
Warum sucht Hertha so halbherzig nach ihren Möglichkeiten? Die Mannschaft ist in der derzeitigen personellen Situation so verfasst, dass sich alle hinter ihren (eng definierten) Aufgaben und voreinander verstecken können. Die Innenverteidigung ist nicht auf der Höhe, verzichtet dafür aber fast vollständig auf einen Beitrag zum Aufbauspiel. Das defensive Mittelfeld arbeitet konservativ und unkoordiniert an einem Wechseldienst, bei dem einer immer abschaltet, wenn der andere sich anbietet. Die Oldies Ibisevic und Kalou werden möglicherweise nicht mehr in diese Saison finden. Bei Duda könnte das auch so sein.
Pal Dardai wirkte in der kurzen Pressekonferenz nach dem Spiel ratlos. Er sprach von einer Lähmung. Es ist eine, die im Grunde seine gesamte bisherige Tätigkeit geprägt hat. Hertha hat ab und zu Ansätze zu einer Verbesserung gezeigt, aber insgesamt ist die Signatur der bisherigen zweieinhalb Jahre von Pal Dardai als Cheftrainer bei Hertha BSC doch sehr eindeutig: Stagnation.
Wie oft kann man alles schon einmal gesehen haben? Prinzipiell wohl so oft, wie es die Zukunft hergibt, die in der eigenen Lebenszeit enthalten ist. Immerhin hat Hertha mit dem schwachen Spiel gegen Köln ein bisschen Tradition gestiftet. Denn traditionell ist die Mannschaft im Pokal ja nicht gut. Darauf scheint sie sich ausgerechnet in einem Jahr besonnen zu haben, das wir gern für zukunftsträchtig gehalten hätten.
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