Traumfinale

Die Rückspiele im Halbfinale der "Champions League" habe ich dann doch mit allergrößtem Interesse verfolgt. Und ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden, weil es bekräftigt, dass der Fußball prinzipiell in Bewegung ist. In beiden Fällen hat sich ja doch der Außenseiter durchgesetzt, auch wenn das auf dieser Ebene des Bewerbs nur ein sehr relativer Begriff sein kann. Ich bin nicht aus sentimentalen Gründen immer für die Außenseiter, keineswegs. Aber ich sehe den Fußball aus der Perspektive meiner Anhängerschaft, und ich vermag Hertha oder Arsenal nun einmal leichter auf Atlético und im Falle des zweiten Halbfinales leichter auf Real zu übertragen, als auf Chelsea oder Bayern.

Dass Bayern ausgeschieden ist, empfinde ich insgesamt als Erleichterung, weil hiermit nach dem BVB eine zweite Mannschaft gezeigt hat, dass es gegen den Strangulationsfußball Mittel gibt. Bis vor kurzer Zeit war es ja doch ziemlich einschüchternd, wie die Bayern ihr Spiel vor dem Sechzehner nahezu jeder gegnerischen Mannschaft aufzogen. Und 90 Minuten schienen einfach zu lang, als dass nicht das Nadelöhr entdeckt würde, das immer irgendwo ist. Real hat sich davon nicht nervös machen lassen, hat im Gegenteil seine Taktik über die 180 Minuten variiert, während auf der anderen Seite der Nimbus von Guardiola gelitten hat. Er hatte gegen Real einen Löw-Moment, das positive Vorurteil, er wäre dem gegnerischen Coach immer einen Schachzug oder eine Einwechslung voraus, hat gelitten.

Das bedeutet nicht mehr, als dass im Fußball weiterhin vieles möglich sein wird. Und damit gebe ich mich auch schon zufrieden. Monokulturen kann niemand wollen. Und vor diesem Hintergrund ist die Geschichte von Atlético natürlich noch interessanter als die von Real, wo Ancellotti im Grunde erst jetzt den Hinauswurf von Vicente del Bosque gerächt hat, indem er aus dem Chaos undurchdachter Transfers eine zumindest für den Moment sehr effektive Mannschaft geformt hat (Bale, Modric eigentlich "out of position"). Atlético erlaubt es, so etwas wie eine nicht neurotische Perspektive auf das Spiel einzunehmen. Damit meine ich, den Verzerrungen von Mourinho etwas entgegen zu setzen, der uns die ganze Zeit eine mauernde Oligarchentruppe als den ultimativen Außenseiter zu verkaufen versucht, sowohl in der CL wie in der EPL.

De facto hat er Atlético wohl nicht ernst genug genommen. Ich war nach vierzig Minuten des Rückspiels schon ein wenig skeptisch, weil sich das Muster des Hinspiels zu wiederholen schien: eine gewisse zerstreute Emsigkeit des spanischen Teams führte zwar zu einem recht offenen, ziemlich normalen Fußballspiel mit kaum verteilten Rollen, es ging halt einfach hin und her. Aber Chelsea ließ es dann doch ein wenig mehr her als hin werden, und dann war er plötzlich drin. Oder genauer gesagt: Chelsea war drin im Gefängnis seines eigenen Stereotyps. In der Annahme, das 1:0 wäre schon der entscheidende Treffer gewesen.

Im Finale werden meine Sympathien bei Atlético sein, mir gefiel allerdings Real so gut, dass ich da insgesamt einfach neugierig zuschauen werde. Es steht eines jener Finals an, in denen keine Mannschaft ist, die irgendwie zu überwinden ist, aus deren öder oder erkaufter Dominanz sich der Fußball befreien muss, um nicht in Einseitigkeiten zu verfallen. Es ist zufällig ein spanisches Derby, aber das war im Vorjahr ja nicht so viel anders, als die beiden deutschen Topmannschaften die "Champion's League" ausspielten. Ein Finale zwischen zwei interessanten Mannschaften, mehr kann sich der Fan, der nicht das Glück hat, ganz oben mitzuspielen, nicht wünschen.

Ein Wort noch zu Mesut Özil. Von ihm habe Ancellotti sich bewusst getrennt, weil er ein Spieler für die besonderen Momente, nicht aber für die 180 Minuten sei. Diese Bemerkung fiel irgendwann am Dienstag, ich weiß nicht mehr genau, wo. Da fließt das Wissen um diese Saison schon ein, und da hat sich das eben doch bestätigt. Arsenal, wo Arsène Wenger meinte, seiner Mannschaft fehlte nur noch der Veredelungsfaktor dieser Momente, geriet durch Özil weiter aus der Balance, bekam in den entscheidenden Spielen der Saison kaum einen Fuß auf den Boden. Real hingegen hatte gegen den FCB vor allem eines: unerhörte Balance. Und der Fußball ist jetzt eben auch insgesamt wieder ein bisschen mehr im Lot.

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