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Mein Ausflug nach Mönchengladbach war ein bisschen enttäuschend. Und zwar nicht nur sportlich. Der Borussia-Park, auf den ich so neugierig war, entpuppte sich als Dutzendstadion, südwestlich der Stadt in die Landschaft gestellt, ohne Atmosphäre und mit architektonischen Details wie Sichtbehinderungen selbst auf einem relativ guten Platz wie dem meinen. Die Nordkurve mit den treuesten Fans macht ganz gut Stimmung, die Hertha-Fans waren wie immer in einen Käfig gesperrt, hielten aber zeitweise munter mit.
Leider war das Spiel insgesamt eher zum Vergessen. Lucien Favre war hinterher erregt, weil ein Reporter seiner Meinung nach die Unterschiede zwischen Gladbach und Hertha zu hoch veranschlagt hatte, interessanterweise war davon in diesem Interview gar nicht die Rede gewesen. Er hat aber recht: für Hertha wäre etwas drin gewesen. Aber es sollte nicht sein, und es wollte nicht sein.
Nachdem ich mehr oder weniger mit dem Anpfiff das Stadion betreten hatte, musste ich erst einmal die Augen reiben: Van den Bergh links hinten! Und Schulz? Im defensiven Mittelfeld. Und auf der 10? Per Skjelbred. Der Coach hatte in der Pressekonferenz vor dem Spiel noch gesagt, dass es für diese Position genügend Varianten gibt, dass also kein Grund zur Beunruhigung nach Stockers Verletzung besteht. Die Wahrheit ist, das Stocker die Aufgaben eines zentralen Spielgestalters allenfalls in Andeutungen wahrnimmt, und dass die Strategie, die Position in Rotation zu besetzen und dabei insgesamt eher zu umspielen, nicht wirklich weiterhilft.
Gladbach ging früh durch einen Kopfballtreffer von Jantschke in Führung. Schulz war der Mann, der für ihn zuständig war. Reicht das aber als Grund dafür, ihn schon nach 30 Minuten vom Feld zu nehmen? Ronny kam, das taktische Experiment war kassiert. Gladbach spielte uninteressant weiter, Hertha ließ sich aber nicht in die Karten blicken: Es blieb offen, ob die Mannschaft im Borussia-Park etwas erreichen wollte. Das Spiel fiel weder durch besondere Kontrolle noch durch Inspiration auf, allenfalls durch gelegentlich ansprechendes Kombinationsspiel in Bereichen, in denen es um nichts geht. Der einzige, der etwas vorzuhaben schien, bereitete den Ausgleich kurz vor der Pause vor: Änis Ben-Hatira schlug eine perfekte Flanke auf Schieber, der zwischen Jantschke und Brouwers genug Raum vorfand, um sehenswert per Flugkopfball zu verwerten.
In der zweiten Halbzeit schaffte Hertha es neuerlich nicht, das Spiel eine Weile offen zu halten: ein toller Ball von Xhaka auf Dominguez überrumpelte nicht nur dem nominell zuständigen Ben-Hatira, sondern auch die wieder einmal (wie schon in Köln) gefährlich hoch stehende Defensivkette. Beim 1:3 nach 80 Minuten wiederholte sich das Muster, da stand Hegeler tief in der Gladbacher Hälfte, ging aber unentschlossen in einen schon entscheidenden Zweikampf.
Während ich dies schreibe, tut Eintracht Frankfurt sich gerade an Werder Bremen gütlich. Dieser Sieg verhindert, dass Hertha auf einen Relegationsplatz rutscht. Die Saison verläuft insgesamt doch eindeutig enttäuschend. Von Spiel zu Spiel warten die Fans darauf, dass etwas erkennbar wird, eine Idee, wie mit diesem Kader umzugehen wäre, eine Linie, die aus der Lethargie führt. Im Mönchengladbach spielte Hertha sicher nicht ohne Engagement, aber als Mannschaft ohne Balance - nach hinten doch dramatisch ungeordnet, nach vorne ohne Überzeugung.
Der Coach erweckt weiterhin den Eindruck, dass er nicht so recht weiß, wie er mit der seltsamen Situation (riesiger Kader, lange Verletztenliste, kein taktisches wie personelles Gerüst erkennbar) umgehen soll. Die frühe Auswechslung von Schulz ist ein Indiz dafür, dass er selber rätselt, was denn zu tun wäre. Auch Ben-Hatira erschien mir nicht als derjenige, der am ehesten entbehrlich war, als schließlich doch noch Kalou kam. Der deutlich beste Fußballer in den Reihen von Hertha konnte also auch über eine ganze Trainingswoche hinweg nicht auf Teamspieler umgelernt werden - als unbeteiligter Beobachter fragt man sich unwillkürlich, ob die Rolle als Joker wirklich die beste Pädagogik für den Starstürmer ist.
Unabhängig davon, ob Hertha vor Weihnachten noch punktet, muss der Manager im Winter sich etwas zu Luhukay überlegen. Viele Freunde fordern bereits unmissverständlich seine Ablösung ("Der Bart muss ab"), mir wäre auch am liebsten, dass ab Januar Thomas Tuchel hier Cheftrainer wäre, aber das ist nun einmal ein unrealistisches Szenario. Es gibt nicht viele gute Trainer auf dem Markt, das Problem ist nur: Luhukay erweckt zunehmend den Eindruck, dass er auch keiner ist. Unaufgeregtheit ist eine Tugend, sportlich ist sie aber von sekundärem Belang. Eigentlich fehlt schon das ganze Jahr 2014 hindurch ein Moment, in dem die Mannschaft zu sich selbst findet. Sie spielt die meiste Zeit wie unter Vorbehalt.
Als ich im Shuttle zurück zum Bahnhof fuhr, gab es noch einen kleinen, freundlichen Wortwechsel mit Borussia-Fans. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich auf eine Position der Mittelfristigkeit zurückzuziehen. Wer weiß, wo Gladbach in fünf Jahren steht - ohne Kramer, ohne Hazard, vielleicht ohne Favre? An diesem Samstag jedenfalls hatte Hertha den Gegner nicht ausreichend gefordert. Und das ist im Grunde das Schlimmste, was über ein Spiel zu sagen ist.
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Kommentar von Valdano |
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