Ich sage es ungern, aber es geht nicht anders: Hertha droht zu einer langweiligen Mannschaft zu werden. Das sechste Spiel in dieser Saison war das dritte richtig schlechte, und wenn dann am Ende nicht einmal das Augsburg-Minimum herausschaut (ein Punkt aus einem neutralisierten Spiel, bei dem man nach den Erfahrungen der letzten Male im Grunde auf die Austragung verzichten könnte), dann wird die Langeweile bleiern. 0:1 heute durch einen umstrittenen Elfmeter, den man aber auch geben kann.
Es lohnt sich, die zwei Minuten vor diesem Sprint anzuschauen, den Bobadilla im Strafraum anzieht. Hertha hat den Ball, Heitinga spielt auf Lustenberger, Lustenberger auf Heitinga, Hosogai steht ungünstig zentral, der Rest der Mannschaft wartet weiter vorn. Kalou kommt dem Ball entgegen, er wird nicht bemerkt, weil niemand schaut. Ronny lässt sich fallen, bekommt den Ball, ist zugestellt, zurück zu Lustenberger. Heitinga spielt dann einen langen Ball, der sogar eine Weile behauptet werden kann, bis Beerens, dessen Übersteiger mittlerweile die ganze Liga durchschaut zu haben scheint, den offensiven Spielzug beendet.
Es gab Andeutungen vertikalen Spiels, vor allem von Haraguchi und Kalou, aber insgesamt kam nach dem Rückstand nicht viel. Der Trainer gab nachher dem Schiedsrichter einen Teil der Schuld. Es stimmt, die Augsburger gingen robust zur Sache, aber auch Hertha ließ es an hartem Einsteigen nicht mangeln, wobei Ronnys Aktion gegen Verhaegh ein Schleudertrauma auslöste, das in der Zeitlupe gar nicht so leicht nachzuvollziehen ist.
Nimmt man das Spiel vom Mittwoch (1:0 Heimsieg) und das vom Sonntag (0:1 auswärts) zusammen, dann hat man zwei äußerst zähe Begegnungen vor sich, die nur minimal mit Spielkultur zu tun haben. Ich will das gar nicht allein Hertha anlasten. Das ist eben die "Liga der Weltmeister" im Alltag: ein Wettbewerb relativ ähnlicher Teams, die alle von einer gewissen Grundkompetenz leben, die aber häufig kaum Fußball spielen.
Dass die Kombinationen bei Hertha allerdings so ungenügend sind, dass kaum einmal überhaupt dazu angesetzt wird, hat schon auch mit einem Umstand zu tun, der schon aufgefallen ist: Die Mannschaft läuft nicht sonderlich viel. Dafür kann es drei Gründe geben. Sie ist schlapp - das wäre seltsam, wobei die deutlich schlechteren Zahlen der Rückrunde 2014 schon auch Fragen an das Fitnesstraining bei Hertha erlauben. Zweitens: Sie mag nicht. Das würde bedeuten, dass der Zusammenhalt nicht stimmt, dass der Einsatz füreinander nicht erbracht wird. Das Spiel gegen Wolfsburg deutete eigentlich in eine andere Richtung.
Es wird wohl der dritte mögliche Grund sein: Sie weiß nicht so recht, wie und wohin sie laufen soll. Man hat tatsächlich den Eindruck, dass die Mannschaft ohne Laufwege aus der Vorbereitung gekommen ist. Das Wort wird auch gar nicht verwendet, es kommt gerade ein bisschen aus der Mode. Was Bobadilla in der Elfmeterszene gemacht hat, war ein klassischer Laufweg. Er hat laufend einen Weg zurückgelegt, den Djurdjic antizipieren konnte, und der Herthas Defensive öffnete. Wenn man genau hinschaut, sieht man übrigens, dass der Pass von Djurdjic ziemlich larifari ist, und Bobadilla sich erst ein wenig besinnen muss, bevor er den "intensiven Lauf" ansetzt.
Jos Luhukay hat sich entschieden, gegen Augsburg auf die Mannschaft zu vertrauen, die auch gegen Wolfsburg begann. Obwohl Ronny schwach war, obwohl es eine gute Gelegenheit gewesen wäre (wann, wenn nicht in diesem Match?), Hany Mukhtar eine Chance zu geben, ein Überraschungsmoment zu versuchen, ein bisschen Initiative zu zeigen. So war wieder einmal Wagner zusätzlich zu Schieber im Kader, aber das Fach Kreativität hat derzeit nicht einmal einen Vertretungslehrer. Ein, zwei gute Pässe von Ronny werden von seinen Ballverlusten und ungefährlichen Eckbällen leider negativ mehr als aufgewogen.
Ich rätselte immer noch ein bisschen, was Jos Luhukay mit diesem Kader vorhat. Und man hat den Eindruck, er weiß es auch nicht so recht. Irgendwas zwischen alten Loyalitäten und strenger Pädagogik (Heitinga wird schon wieder vorzeitig ausgewechselt, Stocker scheint einen Königstransfermalus zu haben). So haben wir als Zwischenergebnis eine Angelegenheit, die menschlich sicher erfreulich ist, aber sportlich dann doch auch ein wenig unergiebig: Marcel Ndjeng ist für die Mannschaft wichtiger denn je.
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