Gestern kam ich erst ganz knapp vor Anpfiff der Begegnung von Hertha und Bayer 04 Leverkusen ins Stadion. Ich habe also die Verabschiedung von John Brooks nicht mitbekommen, für den es angeblich Pfiffe gab. Das ist wieder einmal so ein Beispiel für eine gewissen Fanfundamentalismus, denn eigentlich müssten sich doch alle, die Hertha unterstützen, bei ihm tausendmal dafür bedanken, dass er bei Wolfsburg unterschrieben und eine doch ein bisschen überdimensioniert wirkende Ablöse gebracht hat.
Brooks wurde nämlich exzellent ersetzt. Und zwar nicht nur eins zu eins, durch Karim Rekik, von dem man jetzt schon das Gefühl haben kann, dass er ein Führungsspieler par excellence ist (was bei dem "US-Boy", wie die Medien gern schreiben, immer so halb in der guten Absicht stecken geblieben war). Sondern eben auch noch durch jemand wie Matthew Leckie, und selbst Selke und Lazaro sind alle noch durch die Transfersumme aus der Autostadt abgedeckt. Also: einen besseren Deal hat Hertha nicht oft gemacht.
Wo die Mannschaft in dieser frühen Phase der Saison einzuordnen ist, zeigte dann das Spiel gegen Leverkusen mit einer teilweise begeisternden Klarheit: Im direkten Vergleich mit der Schmach vom 20. Mai war Hertha kaum wiederzuerkennen. Und auch für den laufenden Wettbewerb macht die Reaktion auf den mäßigen Heimauftritt gegen Bremen entschieden Hoffnung.
Leverkusen ist eine der wenigen Mannschaften in der Liga, die sich immer wieder auf das offene Duell einlassen. Das kam Hertha gestern entschieden entgegen, denn die Formation (mit Darida neben Skjelbred und Stark neben Rekik, mit Weiser hinter Leckie und Plattenhardt hinter Kalou, und mit Duda hinter Ibisevic) war ideal für die vielen Umschaltsituationen, die es gegen Hoffenheim (wo das eigentlich Matchplan war) gar nicht so oft gab.
Nach ein paar Minuten war Hertha im Spiel, und zwar bestimmend. Die Treffer durch Leckie (schon wieder mit links) und Kalou (eine elegante Veredelung einer Teamleistung) waren herausgespielt und erzwungen, und begünstigt durch Geistesblitze und Initiative. Wieder fiel vor allem auf, wie homogen das Team wirkt. Mein Liebling an diesem Abend (es gab viele Kandidaten) war Salomon Kalou, vor allem wegen seiner Defensivarbeit.
Die Mannschaft ist insgesamt fast 124 Kilometer gelaufen (Darida kratzt bald an der 14-km-Marke), das sind Welten von vielen Werten der Vorsaison. Es gab darunter nicht wenige Feldüberquerungen, aber der Großteil war doch diese ungeheuer anstrengende Meterarbeit beim Zulaufen von Räumen und beim Verhindern von Flanken und Pässen, für die man ins Stadion kommen muss, um sie wirklich adäquat mitzukriegen. Es kamen nur 32.000 - ein deprimierender Wert. Die aber da waren, sahen das Gegenteil von leeren Kilometern.
Die Passquote von 71 % würde ich zweiteilen: Sie deutet an, dass Hertha dieses Mal mehr probiert hat (was unbedingt zu begrüßen ist, zumal die Kompaktheit darunter nicht litt), sie lässt aber wohl auch die Veränderung des Spiels in der zweiten Halbzeit erkennen. Da kam Hertha nicht mehr so häufig aus der eigenen Hälfte. Mit ein bisschen Pech hätte das auch noch schief gehen können, zumal der vierte Offizielle offensichtlich ein anderes Spiel geschaut hatte, denn fünf Minuten Nachspielzeit waren für das aktuelle eher drei zuviel (wie schon die gelbe Karte gegen Jarstein übertrieben war).
Vor dem Spiel in Hoffenheim konnte man Michael Preetz im Fernsehen über neue Formen der Belastungsdiagnostik bei Hertha sprechen hören. Er verriet keine Geheimnisse, sondern ließ nur erkennen, dass man da auch einiges probiert. Nehmen wir das einfach einmal vorsichtig als ein weiteres Indiz, dass Pal Dardai und das gesamte Betreuerteam über den Sommer wieder wesentliche Professionalisierungsschritte gemacht haben. So deutet es jedenfalls die Mannschaft an, die gegen Leverkusen so ambitioniert gespielt hat, wie man es von der "Power von der Spree" erwarten möchte.
Der negative Lauf beim FC Köln (mit dem Hertha sich aufgrund der Vorjahrestabelle am ehesten vergleichen sollte) zeigt noch deutlicher, wie sehr die Hertha-Fans gerade zufrieden und optimistisch sein können.
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