Vor den Augen der Welt

Dieses Jahr passt es einfach: Auf dem Weg nach Österreich mache ich in München Station, und schaue Hertha live gegen den FC Bayern. Ein besonderes Spiel nicht nur für die beiden Mannschaften, sondern auch für die Liga: denn ein Klassiko in der ersten Runde (also Bayern - Dortmund) würde wenig Sinn machen, während Bayern - Hertha so etwas wie ein denkbarer Klassiko ist. Für die globale Reichweite ist das jedenfalls heute ein bedeutender Moment für "Berlins Fußballclub Nummer eins".

Im Vorjahr kam Bayern genau zum richtigen Zeitpunkt nach Berlin. Und Pal Dardais Hertha hatte noch genügend Schwung aus einer Vorbereitung, in der stark an offensiven Spielzügen gearbeitet wurde - so hatte es den Anschein. Die erste Halbzeit war jedenfalls ein Exempel für eine dynamische, dominante Hertha (mit Maier, mit Mittelstädt, mit Dilrosun, mit Duda). Natürlich kann man nicht immer so spielen, aber es war doch ein wenig rätselhaft, warum später in der Saison so viele lethargische erste Halbzeiten folgten.

Beim Auswärtsspiel wäre Bayern 2019 auch durchaus verwundbar gewesen, aber da war Pal Dardai bereits in dem Sicherheitsmodus, der ihn letztlich den Job gekostet hat. Hertha sollte sich nichts mehr trauen. So wurde es ein uninteressantes Nil-One.

Heute hat Hertha unter den Augen der Weltöffentlichkeit eine spannende Gelegenheit, sich zu präsentieren: Nicht so sehr als das neue Spekulantenvehikel mit den niedrig hängenden Früchten, sondern mit einer Mannschaft, die auf langjähriger, geschickter Kaderplanung beruht. Zur Erinnerung: 2014 kamen für insgesamt weniger als vier Millionen Euro Rune Jarstein, Salomon Kalou, Marvin Plattenhardt und Per-Ciljan Skjelbred. Nur der Keeper ist noch eindeutiger Stammspieler, aber alle vier spielen noch eine Rolle, und sie wurden seither ergänzt durch spannende Leute wie Mittelstädt (einer der Auffälligsten schon wieder im Pokal am vergangenen Wochenende), Maier (für den ich eine schwierige Saison erwarte) oder Dilrosun.

Dazu kommt heute vielleicht schon die auch symbolisch auffälligste aktuelle Verstärkung: Lukebakio, der Mann mit den drei Toren gegen den FC Bayern dahoam. Der wäre nicht dabei, wenn Tennor BV nicht bei Hertha eingestiegen wäre. Nun ist er der neue Königstransfer - er wird in dieser Rolle hoffentlich besser bestehen als Valentin Stocker, der 2014 in dieser Rolle zu Hertha kam, und den ich diese Woche beim FC Basel wiedergesehen habe. Er schied in der CL-Qualifikation gegen den LASK aus Linz aus, der Stadt, in der ich aufs Gymnasium ging.

Michael Preetz und Ingo Schiller haben diese Woche der SZ ein Interview gegeben, das ein interessantes Detail enthielt: es klang relativ deutlich durch, dass der Deal mit Windhorst ein wenig unter Zeitdruck zustandekam, weil die Millionen noch in die Bilanz per Ende Juni mussten, die dann auf der Mitgliederversammlung im Herbst präsentiert werden wird.

Die etwas merkwürdigen Umstände der Bekanntgabe des Deals wären damit ein bisschen besser verständlich. Bis heute hat man übrigens nicht den Eindruck, dass Hertha und Windhorst gut abgestimmt kommunizieren. Der Investor ließ es zu, dass sehr früh das Ausstiegsszenario eines Börsengangs in Umlauf kam - was nicht im Sinn des Vereins sein kann, denn das würde ja nichts anderes bedeuten als einen Handel von Vereinsanteilen, auf den Hertha keinen Einfluss mehr haben kann. Da wäre dann schnell klar, dass an einem 50+1 auch für die KGaA durchaus gelegen sein müsste.

Na ja. Das sind langfristige Sachen. Heute wird Ante Covic erste Hinweise geben, wie er mit dem umfangreichen Personal zu arbeiten gedenkt: Setzt er weiterhin auf den aktuell auch formstarken Kapitän, oder agiert er flexibel und zieht gegen den starken Gegner den unberechenbareren Selke vor? Bringt er Lukebakio von Beginn an? Folgende erste Elf wird es wohl werden: Jarstein. Mittelstädt/Torunarigha - Rekik - Stark - Klünter. Grujic - Darida - Duda. Lukebakio - Ibisevic - Kalou.

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Kommentare

Kommentar von Oliver Buhl |

"Lieber Marxelinho, wie immer alles sehr schön und interessant, für mich haben die Namen der Hertha Spieler von 79/80 diese Bedeutung, die Saison, in der die große Mannschaft der 70er Jahre abstieg und auseinanderfiel. Wer weiß was geschehen wäre, wenn sie in der vorigen Saison in das UEFA Cup Finale eingezogen wären. Mein Großvater wiederum war zehn Jahre alt, als Hertha Deutscher Meister wurde und bejubelte die nach Berlin zurückkehrende Mannschaft. Leider konnte er mir nie selber davon erzählen, er fiel 1944 auf dem Rückzug in der Nähe von Lemberg. Immer wenn du von deinen Reisen in diese Regionen schreibst, muss ich an ihn denken und wie gerne ich mit ihm über Hertha gesprochen hätte, auch einmal vielen Dank für diese interessanten Berichte aus einer Welt die selbst hier in Berlin der Großteil nicht wirklich wahrnimmt. ""Aufs Gymnasium gehen "" scheint mir daher zu kommen, dass man betonen will, auf eine hohe Schule zu gehen, nach oben, typisch deutsch, denke ich. Heute eigentlich bedeutungslos , wenn fast 60 Prozent versuchen Abitur zu machen. Und ich warte natürlich sehr gespannt auf einen Kommentar zu Özil und freue mich darauf.

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