Was sagt der alte Häuptling der Indianer?

In der BayArena spielen sie als Rausschmeißer die Winnetou-Melodie. So was bekommt man nur mit, wenn Sky lange nach Abpfiff auf Sendung bleibt, das ist nur dann der Fall, wenn es sich um das Match of the Day handelt. Hertha hat am Samstag in der BayArena mit 1:2 knapp, aber verdient verloren. Die Kennmelodie des zum Heiland konvertierten Apachen werden die Berliner nicht mehr beachtet haben. Ist ja auch nur ein Detail am Rand, irgendwann schreibe ich aber noch einmal was Zusammenfassendes zur musikalischen Selbstinszenierung der Clubs.

Im Moment sind wir aber noch mit sportlichen Dingen mehr als beschäftigt. Pro Runde büßt Hertha derzeit einen Platz ein, nun ist auch Gladbach vorbeigezogen, wobei das Wort nicht wirklich passt: Bei Punktegleichstand und einer deutlich besseren Tordifferenz haben die Borussen derzeit den Platz 4 inne, auf den Hertha auch immer noch Ambitionen geltend machen kann. Die direkte Qualifikation über Platz 3 hätte erfordert, Leverkusen im eigenen Stadion aus der Bahn zu werfen. Denn es ging gegen ein Team, das davor sechs Spiele in Serie gewonnen hatte.

Wie fast alle Spiele kann man auch dieses von zwei oder sogar mehreren Seiten betrachten. Hertha lag früh mit 0:2 zurück, schaffte dann aber auch zügig den Anschlusstreffer. Danach war das Spiel offen, allerdings auf eine Weise, die dem Berliner Betreuerstab genau genommen nicht wirklich gefallen konnte. Denn Bayer war jederzeit die gefährlichere Mannschaft, und Hertha erlaubte einige unnötige Konter, einmal musste sich Jarstein schon einigermaßen spektakulär gegen Bellarabi auszeichnen.

Kämpferisch war es eine gute Leistung, sodass man zumindest das Gefühl haben kann, der Drops wäre doch nicht ganz gelutscht, wie es eine befreundete Herthanerin vor einer Weile schon einmal befürchtete. Man konnte aber doch deutlich sehen, dass die Mannschaft nicht auf der Höhe ist. In allen wichtigen Bereichen (Geistesgegenwart, Ballverarbeitung, Beschleunigung) gab es Defizite. Sie zeigten sich nicht zuletzt in den vielen Fouls, alle Defensivkräfte kamen irgendwann einmal signifikant zu spät. Marvin Plattenhardt verursachte den Freistoß, der zum 0:2 führte, aber auch Lustenberger, Stark, Skjelbred, Pekarik und Langkamp fuhren zu grob dazwischen. Der Schiedsrichter war nicht fehlerlos, beim ersten Gegentreffer kann man trotzdem besser verteidigen.

Dazu kamen viele, viele Fehler im Spielaufbau, wobei Tolga Cigerci sich dieses Mal so richtig janusgesichtig zeigte: in Andeutungen brillant, dann aber immer wieder zu umständlich. Bei Kalou konnte man beinahe schon den Eindruck gewinnen, das wäre seine Abschiedsvorstellung gewesen. Wie er bei seiner Auswechslung vom Platz schritt, stolz und ganz in seiner eigenen Zeitrechnung versunken, das sah nicht gut aus, passte aber irgendwie dazu, dass aus der Länderspielpause nicht der Kalou dieser Saison zurückgekehrt ist, sondern einer, der wieder halb in den Problemen des Vorjahres zu versinken scheint. Er hat in der Hinrunde oft den Unterschied ausgemacht und war lange ein Kandidat für "Spieler der Saison". Derzeit wirkt er, als habe er den Kontakt zur Mannschaft ein wenig verloren.

Damit ist ein wichtiges Stichwort gefallen. Hertha spielt eine erfolgreiche Saison, die Qualifikation für die Europa League ist bereits sicher. Allerdings überschattet die Rückrundentabelle den Gesamteindruck doch nicht unwesentlich: Platz 13 kann sicher noch korrigiert werden, in den letzten beiden Spielen ist eine Menge möglich, sogar die Rückkehr auf Platz 4 in der Gesamtabrechnung.

Ein erfolgreicher Abschluss (nicht notwendig Platz 4, aber doch mit Schwung in die Sommerpause gehen) ist auch deswegen von Bedeutung, weil nur so dieses Jahr auch als erster Schritt in einem Projekt verkaufbar ist. An einen Spieler wie Mitchell Weiser zum Beispiel, der vielleicht am deutlichsten auf sich aufmerksam gemacht hat, und der noch vor einigen Wochen schwärmerisch von Berlin gesprochen hat. Nun könnte es ohne Weiteres passieren, dass jemand für ihn bietet, und Projekte gibt es überall.

Hertha steht ein keineswegs einfacher Sommer bevor. Auf den ersten Blick scheint die Mannschaft für die kommende Saison weitgehend zu stehen. Aber de facto zeigen derzeit viele Spieler, dass sie im letzten Viertel einer Saison deutlich an ihre Grenzen kommen. Und die nachrückenden tun sich schwer, wie vor allem Cigerci erkennen lässt, bei dem man den Eindruck gewinnt, er bräuchte ein Extra-Coaching, um sein offensichtliches Talent ökonomischer und weniger fehleranfällig auf den Platz zu bringen. Seine Ballverluste tun besonders weh, weil Hertha ohnehin nicht so oft interessante Konstellationen zuwegebringt.

Aber gut, das sind momentan alles Luxusprobleme. Das konkrete Saisonziel wurde deutlich übertroffen, die letzten beiden Gegner gehören auch nicht mehr zu dem Toptrio, mit dem Hertha es zuletzt zu tun hatte. Gegen Mainz könnte es ein echtes Finale geben, einen Dreikampf um Platz 4. Und insgesamt überwiegt die Vorfreude auf diese beiden Wochenenden doch deutlich. Schon kommende Woche könnte Hertha mit einem konzentrierten und erfolgreichen Heimspiel eine Menge positive Energie nicht nur für Spieltag 34, sondern schon für 2016/17 tanken.

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