Slawa Ukrajini

Eine Fanfahrt nach Wroclaw zu einem Spiel der Ukraine

Diese Woche habe ich endlich wieder einmal eine kleine Fußballreise außerhalb Deutschlands unternommen. Am Dienstag spielte die Ukraine in Wroclaw gegen Island in einem der drei Playoffs um die Teilnahme an der Europameisterschaft in Deutschland in diesem Sommer. Die Ukraine ist ein Land, das mich in vielerlei Hinsicht sehr interessiert, begonnen hat das alles auch mit einer Fußballreise: Im Jahr 2012 fuhr ich nach Lemberg, um mir dort ein Spiel zwischen Deutschland und Portugal anzusehen. Ukraine war damals gemeinsam mit Polen Gastgeber der EM, Donezk war eine blühende Großstadt – es ist kaum zu ertragen, was sich seither verändert hat.

Die Ukraine hatte in der Vorwoche Bosnien-Herzegowina durch zwei späte Tore bezwungen. In der Abmoderation erwähnte der Kommentator, dass das letzte Ausscheidungsspiel in Wroclaw stattfinden sollte. Die einst deutsche Stadt Breslau, heute eine polnische mittlere Metropole, ist nicht wirklich weit weg. Ich machte ein paar Anstalten, nach Karten zu suchen, kam aber zu keinem Ergebnis, und so ließ ich es darauf ankommen. Ich fuhr einfach los, und wollte am Abend vor dem Stadion schauen, ob sich etwas machen ließe.

Das ist im modernen Fußball-Geschäft eigentlich nicht mehr vorgesehen. Und als ich abends recht knapp vor dem Stadion Miejski weit im Westen der Stadt auftauchte, sah es auch zuerst einmal nicht gut aus. Scharen von Menschen mit gelb-blauen Umhängen strebten zum Eingang, drinnen waren schon die Hymnen zu hören, und ich sah nur eine Gestalt, die überhaupt in Frage zu kommen schien für einen inoffiziellen Ticket-Erwerb. Ich suchte seine Nähe, die Signale waren aber entmutigend. Schließlich war der Vorplatz aber dann schon beinahe leer, und er war immer noch da. Nun kamen wir um ein Gespräch nicht mehr herum, und er holte aus seiner Jackentasche ein verschlissenes Blatt Papier, das zwar den erforderlichen Barcode aufwies, insgesamt aber wenig überzeugend wirkte. Und er konnte das Ticket natürlich ohne Probleme zwei Mal ausgedruckt haben, und es war denkbar, daß längst jemand mit dem ersten drin saß. Für 25 Euro ging ich das Risiko ein, er gab mir danach sogar noch eine Business Card. Hier auch das übliche Lesezeichen: Wenn ich von irgendwo ein Papierticket mitbringe, lege ich es in ein Buch, das ich gerade lese.

Das Ticket erwies sich als gülitg. Und so stand ich zehn Minuten nach Anpfiff inmitten ukrainischer Fans, relativ weit unten und nahe am Spielfeldrand. In einem Stadion, das eben für die EM 2012 gebaut worden war, mit 45.000 Platzen. Eine ziemlich idealtypische Fußballarena. Ich war erstaunt, wie nahe das Spiel war. Zuletzt hatte ich es, wenn ich Spiele live gesehen habe, meistens vermieden, zu weit unten zu sitzen, und im Oly habe ich zwei Jahrzehnte einen Platz hoch auf Höhe der Mittellinie bevorzugt. Nun aber war ich mittendrin, und hatte doch einen guten Eindruck vom Spiel. Leider fielen alle drei Tore auf der "fernen" Seite. Das war aber nicht weiter schlimm, denn es war einfach großartig, die Duelle im Strafraum auf unserer Seite wirklich intensiv und nahe zu verfolgen.

Bei der Ukraine spielen auch einige Weltstars. Ich bin natürlich ein Fan von Zinchenko, der bei Arsenal spielt, in Wroclaw aber erst nach einer Stunde eingewechselt wurde. Am besten konnte ich Mykolenko und Mudrykh folgen, beide kenne ich ebenfalls aus der Premier League, beide spielten in "unserer" Halbzeit auf "unserer" Seite.

Meine Fanfahrt war auch eine bescheidene politische Demonstration. In Wroclaw leben, so las ich jedenfalls beim Hinfahren irgendwo, derzeit 200.000 Menschen aus der Ukraine. Sie sind auch im Stadtbild allgegenwärtig, man hört ihre Sprache sehr oft. Dass die Ukraine in ihrer Kriegsnot jetzt zumindest diesen kleinen patriotischen Triumph einer EM-Teilnahme hat (während Russland ausgeschlossen ist), ändert nichts an der katastrophalen Situation. Aber es ist ein kleines Zeichen, und auf dieses Zeichen habe ich gehofft, und ich woilte eine Winzigkeit dazu beitragen, dass es eintritt.

Tags darauf habe ich mir das Spiel auf DAZN noch einmal angeschaut, und dabei auch ein wenig darauf geachtet, ob unser Sektor einmal ins Bild kommen würde. Sagen wir es so: weltberühmt bin ich nicht geworden, aber auf dem Bild unten bin ich drauf, als verschwommener Punkt.

Hier noch ein Video, das ich nach dem Schlusspfiff gemacht habe. Interessant eine kleine Begebenheit mit Zinchenko, zu dem ein Fan auf das Spielfeld läuft, woraufhin ein ziemlich rustikaler Polizist eingreift.

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