von Marxelinho

Wunder und Zauber

Fünf Jahre ist es jetzt her, da war die Welt für Hertha BSC ausnahmsweise einmal sehr in Ordnung. Rang 3 in der Tabelle, Pal Dardai gab im Aktuellen Sportstudio den Charmeur, der Hauptstadtclub schien auf einem guten Weg. Auch Michael Preetz konnte sich breiter Zustimmung sicher sein, vom Kicker war er im Herbst 2015 zum Einkäufer des Jahres gewählt worden. Aus Freiburg war vor der Saison Darida gekommen (3,8 Millionen), aus Nürnberg Niklas Stark (3 Millionen), ablösefrei von den Bayern kam Mitchell Weiser (von dem damals niemand ahnen konnte, dass er bei Hertha seine beste Zeit haben würde), aus Stuttgart wurde Vedad Ibisevic ausgeliehen.

Hertha arbeitete solide, hatte eine Kader mit Perspektive (auch in finanzieller Hinsicht). Die Saison endete mit einem leichten Dämpfer zum Ende auf Platz 7, hinter Mainz (!), Tordifferenz plusminus Null. 2016/2017 lief auch noch einmal gut, 2017/2018 fiel Hertha ins Mittelmaß zurück, und auch Pal Dardai schien mit seinem Latin (ungarisch für Latein) am Ende zu sein. Die eindeutig erkennbare spielerische Entwicklung unter seiner Anleitung war einer von außen unerklärlichen Apathie gewichen. Hertha BSC langweilte sich auf den Plätzen öffentlich mit sich selbst.

Es gab damals das eine oder andere Indiz, dass es zwischen Preetz und Dardai irgendwann nicht mehr rund lief. Genaueres werden wir wahrscheinlich nie erfahren, aber auch so ist der springende Punkt für diese rätselhafte Entwicklung wohl in dieser Konstellation zu suchen: Dardai war ein Trainer-Debütant, aus dem eigenen Haus. Es war damit zu rechnen, dass seine Methoden irgendwann auch an Grenzen stoßen würden. Das Management Sport hatte die Aufgabe, diesen Prozess so zu moderieren, dass das Ausnahmetalent Dardai gut durch diese Phase finden hätte können, vielleicht sogar an den Herausforderungen gewachsen wäre. Das ist offenkundig nicht gelungen. Die schließliche Ablöse war richtig. Aber inzwischen sehen wir, dass sie Michael Preetz mit einer Beschädigung hinterließ, die er nicht mehr wegarbeiten konnte.

Nun ist Pal Dardai wieder da. Ich halte die Entscheidung für die beste derzeit mögliche, und in Sachen Witz ist er bereits wieder ganz in seinem Element. Im klassischen Deutsch meint Witz ja viel mehr als nur, jemand zum Lachen zu bringen: wer Witz hat, hat einen elastischen Geist, kann mit Herausforderungen gut umgehen, denkt frei und mutig. Ein Trainer ohne Witz ist arm dran, und wenn er dann noch mit magischen Textilien arbeitet (mi dispiace, Bruno Labbadia), ist im Grunde schon alles klar.

Witz ist aber nicht alles. Es gibt vermutlich nicht viele Berufe, die komplexer sind als die Funktion eines Cheftrainers bei einem Bundesligisten. Das zeigt sich ja auch daran, dass das diesbezügliche Personal nicht einmal für die 18 Erstligaclubs ausreicht. Und herausragende Trainerbegabungen, also Erfolgsgaranten wie Klopp, sind weltweit Raritäten. Pal Dardai mochte man vor fünf Jahren zutrauen, sich zu einem besonderen Trainer zu entwickeln. Stattdessen geriet er in eine Phase der Stagnation, aus der er sich nicht mehr zu befreien vermochte.

Dass er trotz dieser Enttäuschung bei Hertha blieb, ist eine bemerkenswerte Entscheidung, und macht nun umso neugieriger auf seinen zweiten Versuch. Unumgänglich wird es aber nun sein, das gesamte sportliche Umfeld auf den Prüfstand zu stellen: er braucht von der Spielanalyse bis zur Gegnerbeobachtung, von der Sportmedizin bis zur Trainingsmethodik ein Team, das seinen Vorstellungen entspricht, das ihn aber auch aus Engführungen befreit. (Wir erinnern uns zum Beispiel: Belastungssteuerung war ein Aspekt, der ihm sehr wichtig war, der aber nicht wirklich gut zu funktionieren schien, denn seine Hertha war schließlich nicht gerade die agilste Mannschaft.)

Dardai braucht ein Umfeld, das ihm erlaubt, zu einem großen Trainer zu reifen (wenn er es drauf hat, was auch noch nicht ausgemacht hat). Die Trennung von Michael Preetz war dafür ein notwendiger Schritt, aber auch so ist eine gute Dosis Skepsis angebracht: Hertha hat vom Präsidenten abwärts zuletzt eher durch bemühte Flapsigkeit als durch Souveränität auf sich aufmerksam gemacht, und vor allem die Moderation des chaotischen Transferwinters vor einem Jahr steckt dem Club immer noch in den Knochen.

Es spricht alles für einen sportlichen Neustart im Sommer. Vielleicht ist Pal Dardai dann ja wieder in einer Phase, in der wir gute Gründe haben, ihm Größeres zuzutrauen. Denn prinzipiell gilt: Erfolg haben macht Spaß, aber Erfolg mit Pal Dardai macht noch ein bisschen mehr Spaß.

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