Zeitschleifen im Niemandsland

Hertha BSC wird morgen das Spiel bei der TSG 1899 Hoffenheim mit einem vorletzten Aufgebot bestreiten müssen. Aber das macht jetzt auch nichts mehr. Pal Dardai hat in der PK vor dem Spiel die Rhetorik der Ausreden fortgesetzt, und damit auch das Spiel morgen im Grunde aus dem Spiel genommen: "Muss man akzeptieren so ein Jahr."

Was ist das also bisher für ein Jahr? Wenn nicht groß noch etwas Überraschendes passiert, wird eine Mannschaft, die vom Personal her zu deutlich mehr befähigt ist, sich für das Niemandsland entschieden haben. Das hat dann auch nichts mit der berühmten Zeit zu tun, die es "kostet", eine Mannschaft zu entwickeln. Man kann nämlich nur dann lernen, wenn man etwas probiert. Eintracht Frankfurt und Werder Bremen sind von den Voraussetzungen her mit Hertha ohne Weiteres vergleichbar - dort herrscht keine Kultur der Ausrede.

Pal Dardai spricht von "unsicheren Spielern". Aber diese Unsicherheit hat er wesentlich mitzuverantworten. Einen Trainer, der die Teamlaufleistung (Hertha ist inzwischen auf Platz 18 angekommen) als zufriedenstellend bezeichnet, während offensichtlich sowohl beim Anlaufen wie beim Freilaufen deutliche Defizite bestehen, kann man nicht mehr ernst nehmen, auch wenn er natürlich andeutet, dass er damit nur beschwichtigen will.

Er hat allerdings auch mit einer falschen Taktik zu schwachen Eindrücken beigetragen, indem er einzelne Spieler auf den Außenpositionen (auch läuferisch) überfordert hat, als schon klar war, dass das übervolle (und zu wenig bewegliche) Zentrum die erwünschte Kompaktheit gar nicht zuwege bringt.

Ich gebe zu, es klingt ein wenig hilflos, sich jetzt so plötzlich so deutlich gegen Pal Dardai auszusprechen. Aber es kam tatsächlich nicht aus dem Nichts, er hatte halt das Glück, dass gegen Gladbach ein guter Matchplan sehr gut aufging, und dass in dem freien Spiel gegen den BVB auch etwas von den Talenten im Kader wieder erkennbar wurde, wie es zu Beginn dieser Saison zu großem Optimismus berechtigte.

Im Sommer wird der Markt vermutlich mit dem Hochdrucksauger durch den Kader fegen, und dann wird diese vergeudete Saison doch noch einmal in ihrer Charakteristik deutlich werden. Dann folgt nämlich nicht das Jahr fünf unter Pal Dardai, sodass er sich dann allmählich irgendwann wirklich an einer Entwicklung messen lassen müsste, sondern das Jahr eins einer neuen Rechnung.

Hertha wird nämlich dann wieder ganz von vorne anfangen müssen, mit dem einfachen Saisonziel Klassenerhalt. Der Vorteil: man kann mit der Rhetorik der Ausreden dann auch wieder von vorn beginnen. Das kann dann auch Pal Dardai gern selbst machen, von dem es vielleicht eines Tages heißen wird: Er hat Hertha über viele Jahre sicher durch Zeitschleifen im Niemandsland geführt.

Vielleicht aber findet er ja doch noch einen Weg zu einer Kultur der Ambition. Zur Not würde ich diese Hoffnung sogar "von außen" an ihn herantragen. Auch wenn Hertha sich gegen Erwartungshaltungen "von außen" so gern verwahrt. Sie sind aber nun einmal da, und nicht, weil Berliner Fans naiv wären, sondern weil das in der Natur des Spiels liegt: wer sich nicht darauf einlässt, dass es im Fußball um Gewinnen geht, hat die Teilnahme auch dann verwirkt, wenn de jure der Klassenerhalt fast schon sicher ist. Denn einfach nur auf eine Weise drinnenzubleiben, bei der es um möglichst wenig geht, kann drinnen wie draußen niemand genügen.

Und es war auch nicht das Saisonziel. Der Blick auf die ersten neun zeigt, dass man in diesem Jahr einen einstelligen Tabellenplatz nur erreicht, wenn man anders als nur abwartend an die Sache herangeht. Das hat Hertha immer dann nicht getan, wenn es darauf ankam. Nun gibt es in den sechs ausstehenden Spielen nur noch Gelegenheit zu Teilrehabilitation, aber auch da stapelt Pal Dardai schon wieder tief: neun Punkte sollen es noch werden, damit "so ein Jahr" wenigstens einen Punkt besser wäre als "so ein Vorjahr". Es wäre eine Enttäuschung, und inzwischen ist es eine mit Ansage.

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Kommentare

Kommentar von Jörg |

Ja, das ist hart. Ich kann dem wenig Positives abgewinnen. Muss man so etwas jetzt machen, um an Bayern und Dortmund nicht den Anschluss zu verlieren? Das spräche nicht für die Bundesliga. Zweierlei könnte positiv sein: vielleicht schafft es Hertha jetzt wirklich einmal, große Namen in die Mannschaft zu bekommen, die das Stadion füllen. Und: abstrakt war ja seit Jahrzehnten klar, dass der Standort Berlin sich noch mehr als Vorteil nutzen lassen kann. Anscheinend sieht Tennor das auch so, vielleicht gibt es jetzt mal neue Annäherungen an dieses alte Thema. Mehr Positives füllt mir schwer zu sehen. Ich bin nicht sicher, ob ich der Hertha-Führung zutraue, auf Augenhöhe mit solchen Investoren zu agieren. Ganz abgesehen von den ethischen Aspekten. Und der Zeitpunkt, dass mit Union jetzt ein Berliner Verein in der Bundesliga ist, der zumindest vom Image her gegensätzlich auftritt, ist besonders hart.

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