Zweidrittelgesellschaft

Na also! Gestern Abend blieb Hertha nichts mehr anderes übrig, als ein Spiel zu machen. Sich gegen Fortuna Düsseldorf hinten reinzustellen und abzuwarten, das hätte bedeutet, dass der Schiedsrichter den Ball zwischen beiden Teams hin und her hätte tragen müssen, die ihn beide nicht wollten. Hertha aber wollte den Ball, hatte ihn auch oft, und machte etwas damit.

Sieht man von einer kleinen Verschnaufpause Mitte der ersten Halbzeit ab, in der die Fortuna dann auch gleich und sehr gegen die Tendenz des Spiels in Führung ging, hatte Hertha alles im Griff. Die drei Tore waren Resultat größerer Beweglichkeit, es gab ein initiativeres Flügelspiel, und es gab Vedad Ibisevic im Strafraum.

Ante Covic ist ja immer noch dabei, den Kader kennenzulernen. Das geht nun einmal nur unter Wettkampfbedingungen. Zwar hatte er Darida auch schon im Sommer wieder als potentiellen Stammspieler entdeckt, aber erst jetzt passt er so richtig in die Formation, da hinten Skjelbred absichert. Duda zahlt drauf.

Dilrosun, von vielen Blauweißen inzwischen Skillrosun genannt, hat auf der rechten Seite bei Wolf eine Reaktion bewirkt - der Neuzugang packte gestern auch den einen oder anderen Trick aus, brachte dann zwar nicht alle Bälle ideal an den Mitspieler, aber doch mehr als nur die eine Flanke, die es Ibisevic ermöglichte, den Rückstand rasch zu egalisieren.

Wolf zieht auch gern nach innen, wodurch sich für das Laufwunder Darida Räume auf dem Flügel öffnen - zum Beispiel bei der Flanke, bei der Dilrosun im Stafraum auftauchte: 2:1 noch vor der Pause.

Die Fortuna ist in diesem Jahr bisher deutlich von den Leistungen des Vorjahrs entfernt. Wir dürfen dabei allerdings nicht vergessen, dass es 2018/19 ausgerechnet Hertha war, die Funkels Elf erst belebte. Dieses Mal kam das Spiel früher, und es war ein Heimspiel, und es wurde eine klare Sache. Hertha hat sich den Erfolg auch erlaufen: Deutlich größere Beweglichkeit als so oft in den letzten Monaten war einer der Schlüssel zum Erfolg.

Nun kann man sich das Wochenende gelassen anschauen, aus einer Position ganz am Ende des dichten Pulks, der dieses Jahr die obere Tabellenhälfte ausmacht. Ob Hertha sich da inmitten aller dieser nahezu gleichwertigen Mannschaften längerfristig einreihen und vielleicht sogar noch ein paar Plätze gutmachen kann, ist natürlich ungewiss. Aber es gibt doch leise Anzeichen, dass die drei Siege zuletzt das Selbstverständnis in die richtige Richtung verändert haben: die Niederlage in Mainz hatte ja vor allem damit zu tun, dass Hertha dort wie ein Außenseiter aufgetreten war.

Nun hat die Mannschaft erste Erfahrungen mit dem Fußball gemacht, von dem Covic im Sommer sprach. Fortuna kam da gerade recht, vor allem in Halbzeit zwei hatte das manchmal schon den Charakter eines Trainingsspiels. Die Gegner der kommenden Wochen sind genau richtig, um die Einordnung weiter zu präzisieren: Bremen und Hoffenheim teilen mit Hertha augenblicklich die Rolle, beide sehen sich auch weiter oben, aber weiter oben ist es ungeheuer dicht: die erweiterte Tabellenspitze geht in diesem Jahr bis Platz 11 oder 12. Die Liga ist eine Zweidrittelgesellschaft. Und in dieser Konkurrenz kommt es sehr darauf an, dass Spiele gegen die wenigen verbliebenen Außenseiter gewonnen werden. Hertha hat gestern einen dieser "Pflichtsiege" geschafft. Das ist für die hiesigen Verhältnisse mehr, als man meinen würde.

Und wenn man dann noch in Rechung stellt, dass die drei Niederlagen zu Saisonbeginn auf klassischen Findungsproblemen beruhten (Defensivformation gegen Wolfsburg, Taktik gegen Schalke und Mainz), kann man die drei Siege seither durchaus als Schritte in die Richtung sehen, die über die Selbstbehinderung unter Pal Dardai vielleicht allmählich hinausführen könnte. Das war ja der Anspruch an Ante Covic. Sein erste "Krise" hat er jedenfalls bestanden.

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